„In English, please!“

Seit Kurzem habe ich die Freude und Ehre, einer hochbetagten Dame Gesellschaft zu leisten, die in England – sorry: in Wales – geboren ist und lange Zeit in Südafrika gelebt hat. Später zog sie mit der Familie nach Deutschland. Doch nun kehrt sie mental und sprachlich mehr und mehr zu ihren Wurzeln zurück.

In der Einrichtung, in der sie lebt, bemühen sich die Menschen ringsherum redlich, ihr mit einigen englischen Floskeln zu begegnen. „Do you like coffee or tea?“ wird sie freundlich bei der Kaffeestunde im Speisesaal gefragt. Doch eine „gepflegte Konversation“, wie sie gerade Engländer lieben und nach allen Regeln der Sprachkunst zelebrieren, kommt auf diese Weise nicht zustande.

So suchte die nicht in Hamburg lebende Tochter nach einer Person, die sich zwischen ihren Besuchen mit ihrer Mutter nicht nur in ihrer vertrauten Muttersprache verständigt, sondern auch mit deren altersbedingten Eigenwilligkeiten verständnisvoll und mit Respekt umzugehen vermag. Vom Personal des Heims wurde auf mich verwiesen, da ich dort bereits bekannt bin und regelmäßig ein und aus gehe.

Unsere erste Begegnung fand dann tatsächlich zu einer Kaffee- und Musikstunde statt. „Ganz zufällig“, wie es sich die Tochter gewünscht hatte. Ich durfte mich zu ihr setzen, und sogleich begann ein lebhaftes Gespräch zwischen uns: als sei ein Rohr geplatzt. Doch wir mussten uns zügeln, um die musikalischen Darbietungen nicht zu stören. Danach aber gab es kein Halten mehr, sie erzählte mir sofort wunderbare und eindrucksvolle Begebenheiten aus ihrem langen und bewegten Leben. So waren wir an diesem Tag die Letzten, die aus dem Saal gebeten wurden, damit endlich die Vorbereitung für das Abendessen getroffen werden konnten. Die Chemie stimmte also.

Zu allem Unglück gelang es aber zunächst nicht, Besuche zur gewünschten Zeit einzuplanen. Nach den Schilderungen der Tochter brach für ihre Mutter damit eine Welt zusammen, denn sie habe sich unendlich darauf gefreut und große Hoffnung auf weitere Begegnungen und Gespräche dieser Art gehabt.

Doch: Ende gut, alles gut. Durch einige terminliche Verschiebungen haben wir inzwischen eine Lösung für regelmäßige Treffen gefunden. Und es ist schier unglaublich, wie schnell ein vertrautes Miteinander zwischen uns entstanden ist. Mag sein, dass es auch daran liegt, dass wir beide den typisch englischen Humor haben und zu unserer gemeinsamen Erheiterung bei jeder sich bietenden Gelegenheit auskosten. But: In English, please!