Demenzbetreuung: Wer Schmetterlinge lachen hört ...

Kürzlich war ich auf dem Weg in ein Seniorenheim, in dem ich zwei Bewohner regelmäßig besuche, aktiviere und begleite. Vor der Tür traf ich zufällig den Schwager von Herrn P. Wir kennen uns gut, denn ich war von der Familie u. a. schon zu seinen Geburtstagsfeiern sowie einem gemeinsamen Tagesausflug ins Alte Land bei Hamburg privat eingeladen worden.

Dabei haben sich über meine Bezugsperson hinaus sehr herzliche Kontakte zu verschiedenen Familienangehörigen entwickelt, die sich bei diesen Gelegenheiten stets sehr intensiv erkundigt hatten, wer ich bin, was ich denn mit Herrn P. bei meinen Besuchen so alles anstelle und wie ich mich überhaupt mit ihm verständigen könne? Schließlich leidet Herr P. schon seit mehreren Jahren an einer Alzheimer-Demenz.

Auch bei der heutigen Begrüßung vor der Tür kam der freundliche Schwager sehr schnell wieder auf dieses Thema zu sprechen: „Wir alle sehen und spüren, wie gut ihm Ihre Besuche und alle Aktivitäten tun. Keine Ahnung, wie Sie das immer wieder fertig bringen. Jedenfalls erreichen wir meinen Schwager immer weniger, verstehen ihn kaum noch. Ich könnte das nicht, was Sie da für ihn und andere Menschen in dieser Lebenssituation leisten.“

Zunächst war ich selbst etwas ratlos, ihm in einem Satz eine Erklärung dafür zu geben. Wichtig war mir vor allem, bei ihm keine Schuldgefühle entstehen zu lassen, indem ich erklärte, dass es für die engste Angehörigen meist besonders schwierig sei, mit den Persönlichkeitsveränderungen durch die Krankheit zurecht zu kommen, denn sie kennen ihre Familienmitglieder aus früheren, unbeschwerten Zeiten und stellen bei jeder Begegnung unbewusst Vergleiche dazu her. Das wirke unwillkürlich bedrückend auf alle Beteiligten sowie jede unvorhergesehene Situation.

Gewiss habe ich durch etliche Spezialschulungen und Fachseminare zum komplexen Thema Demenzbetreuung viel über die Krankheit und den sensiblen Umgang mit betroffenen Menschen gelernt. Doch es hängt immer von der ganz individuellen und persönlichen Konstellation ab, ob und wie sich ein verständnisvolles und belebendes Miteinander daraus entwickeln kann. Bei Herrn P. ist es gelungen, da er bei allem, was wir unternehmen, die Würde und Achtung seiner Person spüren kann, indem ich mich auf jedes noch so kleine Signal von ihm einlasse, was ihm allergrößtes Vergnügen bereitet.

„Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß auch, wie Wolken schmecken“, heißt es in einer Liederzeile. Sich gleichermaßen ernsthaft wie unbeschwert auf diese Sichtweise einzulassen, hat mir den Zugang in andere Lebenswelten erleichtert – nicht nur bei Herrn P.

Beitrag von:

 

Thomas Bartel
Journalist und Seniorenassistent
Hamburg

www.die-senioren-assistenten.de/thomas-bartel